Letzte Aktualisierung am: Tue, 27. Dec 2011
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Zur Optik in der Kamera

Gerhard P. Herbig,   gph@herbig-3d.de

1. Inhalt

Die bilderzeugenden optischen Gesetze sind in einer Stereokamera und in einer Monokamera völlig identisch. Somit sind die im folgenden repetierten Grundlagen von allgemeinem Interesse und nicht nur für Stereofotografen interessant. Sicherlich sind theoretische Kenntnisse keine Voraussetzung für gute Aufnahmen - in jedem Fall aber sind sie nützlich auf dem Wege dazu.

Ein weiterer Zweck dieses Beitrages ist es, dem Benutzer der interaktiven Gleichungen zur Berechnung der Schärfentiefe oder der Auszugsverlängerung bei Makroaufnahmen eine Möglichkeit zum Nachvollziehen der Formeln zu geben.

Kapitel 2 ist der Bilderzeugung in der Kamera gewidmet, außerdem werden dort die wichtigsten Größen eingeführt. In Kapitel 3 wird die Schärfentiefe in Abhängigkeit der Blendenöffnung berechnet und Kapitel 4 behandelt schließlich die Aufnahmesituation bei der Makrofotografie. Weitere Kapitel sind geplant.


2. Die Bilderzeugung in der Kamera

2.1 Die Lochkamera

Die allereinfachste Kamera ist eine Lochkamera und besteht lediglich aus einem lichtdichten Gehäuse für den Film - und natürlich einem verschließbaren Loch. Die Abbildung innerhalb der Lochkamera zeigt das Bild 1.

 

Bild 1: Strahlengang in der Lochkamera.

Hier wird ein im Abstand aX befindlicher (punktförmiger) Gegenstand X auf den Film abgebildet. Die Entfernung zwischen dem Loch und dem Film sei a'X (die Größen auf der Filmseite erhalten grundsätzlich ein Apostroph). Auf dem Film erscheint (nach Belichtung und Entwicklung) ein verkleinertes oder vergrößertes Abbild X'. Das Verhältnis zwischen Bildgröße und Gegenstandsgröße werde Vergrößerungsfaktor genannt und kann aus diesen Abständen berechnet werden:

Klicken zur interaktiven Berechnung Klicken zur interaktiven Berechnung .     (2.1)

Der Vergrößerungsfaktor kann sehr klein werden und in vielen Fällen sogar durch approximiert werden, ohne dass ein großer Fehler entsteht. Dies gilt natürlich nicht mehr bei der Makrofotografie.

Als wesentliche Eigenschaften der Lochkamera erkennt man:

2.2 Die Kamera mit Linse

Da die Lichtausbeute einer Lochkamera natürlich nicht zufriedenstellend sein kann (gute Lochkameras sind wegen den Beugungsunschärfen sehr groß), bleibt der einzige Weg, die (Blenden-) Öffnung der Kamera zu vergrößern. Damit hierbei die Abbildungsschärfe nicht verloren geht, müssen mit Hilfe einer Sammellinse alle von einem Gegenstand ausgehenden Lichtstrahlen wieder auf einen Filmpunkt fokussiert werden. Diese Situation zeigt das Bild 2.

 

Bild 2: Strahlengang bei Abbildung mit Sammellinse.

Hier wird der Gegenstand X ebenso scharf abgebildet wie in Bild 1, allerdings jetzt deutlich heller, da an der Bildentstehung ein ganzes Strahlenbündel beteiligt ist. Hier und im folgenden werden übrigens ideale Linsen unterstellt, da nur die prinzipiellen Abbildungseigenschaften untersucht werden sollen. Anders als bei der Lochkamera können jetzt die Gegenstandsweite aX und die Bildweite a'X nicht mehr beliebig gewählt werden, sondern sind von der Brennweite f der Linse abhängig. Mit dem Strahlensatz und wenigen Umformungen erhält man aus Bild 2 schnell:

Klicken zur interaktiven Berechnung Klicken zur interaktiven Berechnung .     (2.2)

Diese Beziehung wird wegen ihrer Bedeutung auch fundamentale Linsengleichung genannt. Hier und im folgenden ist aX also diejenige Entfernung, auf die das Objektiv scharf gestellt wird. (Vorsicht: die auf den Objektiven eingravierten Entfernungen werden meist bis zur Filmebene gemessen.)

Wir sehen also im Gegensatz zur Lochkamera:

Häufig sind die Aufnahmeentfernung und die Brennweite bekannt und der Vergrößerungsfaktor soll berechnet werden - oder der Auszug ist in Abhängigkeit des Vergrößerungsfaktors zu bestimmen. Alle diese Fragen können durch entsprechende Verknüpfungen von (2.1) und (2.2) beantwortet werden. Auch für den späteren Gebrauch sei deshalb hier schon berechnet:

 

.     (2.3)
.     (2.4)
.     (2.5)

3. Die Schärfentiefe

Wir gehen zunächst von einer Aufnahmesituation entsprechend Bild 2 aus, erweitern aber jetzt die abzubildenden Gegenstände um einen näheren (punktförmigen) Gegenstand N im Abstand aN und einen (ebenfalls punktförmigen) entfernteren Gegenstand F im Abstand aF, so wie es in Bild 3 skizziert ist.

 

Bild 3: Strahlengang bei unscharfer Abbildung.

Diese beiden Gegenstände werden auf dem Film im Abstand a'X jetzt nicht mehr scharf abgebildet, da die Lichtbündel von F schon vor dem Film (im Abstand a'F) und die Lichtbündel von N erst im Abstand a'N hinter dem Film fokussiert werden. Auf der Filmoberfläche selbst erhält man dann als Bild dieser Gegenstände keine Punkte mehr sondern Kreisscheiben mit einem Durchmesser u, beispielsweise die in Bild 3 rot gezeichnete Kreisscheibe mit dem Durchmesser uN.

Da einerseits die Grenze zwischen scharf und unscharf fließend ist und andererseits nur der Schärfeeindruck im Auge des Betrachters maßgebend sein kann, dafür aber noch sehr viele andere Faktoren wie zum Beispiel die Auflösungsvermögen der Objektive, des Films, des menschlichen Auges oder was auch immer berücksichtigt werden müssen, definiert man je nach Verwendungszweck der Aufnahme einen zulässigen maximalen Durchmesser umax dieser Kreisscheiben.

Alle abgebildeten Punkte mit einem kleineren Durchmesser als umax werden als scharf und alle mit einem größeren als unscharf erklärt. Durch diese Definition eines Toleranzbereiches für die Schärfe entsteht im Bildraum eine Zone, die scharf abgebildet und deshalb Schärfentiefe genannt wird. Der Zahlenwert für umax ist insbesondere vom verwendeten Firmformat abhängig. Sehr weit verbreitet ist z.B. für das 35mm Kleinbildformat die Akzeptanz eines Unschärfekreises mit umax = 1/30 mm Durchmesser. (Anspruchsvolle Stereofotografen, die Ihre Dias im hochwertigen Stereobetrachter beurteilen, dürfen diesen Wert durchaus nochmals halbieren!)

Wie man dem Bild 3 leicht entnehmen kann, ist der Unschärfedurchmesser direkt abhängig von der Blendenöffnung D. (Bei komplexer gebauten Objektiven ist anstatt dessen der Durchmesser der Eintrittspupille zu verwenden.) Da die Rechnung mit der Blendenzahl K, dem Verhältnis von Brennweite und Blendenöffnung wesentlich praktischer ist, schreiben wir gleich:

.     (3.1)

K ist der nominale, am Objektiv angegebene Wert. (Hier nur als Hinweis: Für alle Fragestellungen zur Bestimmung der Belichtungszeit ist nicht mit K, sondern mit der effektiven Blendenzahl

.     (3.2)

zu rechnen.

Zunächst werde die Berechnung für das Bild N' durchgeführt: Der Strahlensatz (Dreieck Blendenöffnung-N') liefert dort:

.     (3.3)

Mit Hilfe von (2.2) werden a'N und a'X ersetzt:

.     (3.4)
.     (3.5)

Beides in (3.3) eingesetzt ergibt:

.     (3.6)

Schließlich wird (3.6) nach aN aufgelöst:

Klicken zur interaktiven Berechnung Klicken zur interaktiven Berechnung .     (3.7)

und Gleichung (2.4) eingesetzt:

.     (3.8)

Die Gleichungen (3.7) und (3.8) stellen schon das gewünschte Ergebnis dar: Bei gegebener Entfernung aX, Brennweite f und Blende K (nebst Unschärfekreisdurchmesser uN) kann die vordere Grenze aN des Schärfentiefenbereiches bestimmt werden.

Für die hintere Grenze aF des Schärfentiefenbereiches gilt entsprechend:

Klicken zur interaktiven Berechnung Klicken zur interaktiven Berechnung .     (3.9)

Und schließlich ist die Ausdehnung der ganzen Schärfentiefenzone:

.     (3.10)

Besonders die Form in der letzten Zeile zeigt deutlich die Abhängigkeit vom Vergrößerungsfaktor. Außerdem vergrößert sich die Schärfentiefe annähernd mit dem Quadrat der Aufnahmeentfernung und verkleinert sich mit dem Quadrat der Brennweite. Wie sich durch Addition der Kehrwerte von (3.8) und (3.9) leicht zeigen lässt, gilt weiterhin:

.     (3.11)

Damit kann man zum Beispiel berechnen, auf welche Entfernung aX scharf einzustellen ist, wenn die Schärfentiefenzone von aN bis aF reichen soll.

3.1 Sonderfälle

Interessant ist besonders der Fall, für welchen die Schärfentiefenzone gerade bis Unendlich reicht. Diesen Fall () erhalten wir aus (3.9) für verschwindenden Nenner:

.     (3.12)

Eingesetzt in (3.8) ergibt dies:

.     (3.13)

Dieses Ergebnis ist den meisten Fotografen bekannt: Wenn die Tiefenschärfe von aN bis genau Unendlich reichen soll, ist die Entfernungseinstellung auf 2aN einzustellen (bei entsprechender Blende, versteht sich).

Wenn der Aufnahmeabstand aX deutlich größer als die Brennweite f ist, können obige Formeln etwas vereinfacht werden. Statt (3.8), (3.9) und (3.10) gilt dann näherungsweise:

.     (3.14)
.     (3.15)
.     (3.16)

Andererseits ist in vielen praktischen Fällen (besonders im Makrobereich) - und dann gilt mit guter Näherung für die Schärfentiefe:

.     (3.17)

4. Makrofotografie

Für Aufnahmen im Makrobereich gibt es zwei völlig unterschiedliche Ansätze: Vorsatzlinsen oder Auszugsverlängerung.

Durch Vorsatzlinsen (Sammellinsen) wird bei gleichbleibendem Auszug die wirksame Brennweite verringert und wegen (2.3) der Vergrößerungsfaktor etwas angehoben. Gegen die Verwendung von Vorsatzlinsen ist aus Gründen optischer Qualität an sich nichts einzuwenden. Bis etwa 3 dptr sind gute Vorsatzlinsen (Achromate) erhältlich, außerdem kann eine Normalobjektiv in dem Bereich eingesetzt werden, für den es konstruiert wurde (Einstellung auf Unendlich). Allerdings sollte mehr als allein mit Vorsatzlinsen nicht angestrebt werden.

Für höhere Vergrößerungsfaktoren ist eine Auszugsverlängerung mittels Zwischenringen oder besser Balgengerät notwendig. Scharfe Bilder darf man dann aber nur erwarten, wenn auch Objektive verwendet werden, die auch für den Makrobereich konstruiert sind (sogenannte Makroköpfe oder Vergrößerungsobjektive).

4.1 Vorsatzlinsen

Bei der Hintereinanderschaltung mehrerer Linsen addieren sich die Kehrwerte der Einzelbrennweiten. Für die Gesamtbrennweite fG eines Systems aus n Linsen mit den Brennweiten f1 bis fn gilt somit:

.     (4.1)

Angenommen, eine Aufnahmekamera mit der Brennweite f1 sei auf unendlich eingestellt (a1 = ¥ und f1 = a'1). Ohne den Auszug zu verändern, wird nun eine Vorsatzlinse mit der Brennweite f2 hinzugefügt. Mit (2.2) und (4.1) gilt also für das Gesamtsystem:

.     (4.2)

Am Auszug werde keine Veränderung vorgenommen:

.     (4.3)

und deshalb erhält man das interessante Ergebnis

,     (4.4)

das heißt, die Aufnahmeentfernung ist identisch mit der Brennweite der Vorsatzlinse. (Eine Vorsatzlinse mit 1dptr = 1000mm verkürzt die Aufnahmeentfernung also gerade auf 1m, bei Linsen mit 2dptr = 500mm sind es 1/2m u.s.w.) Der Vergrößerungsfaktor für diesen Fall beträgt nach (2.1)

.     (4.5)

also gerade das Verhältnis der Brennweiten.

Dieses Ergebnis soll jetzt noch verallgemeinert werden, das heißt, vor Verwendung der Vorsatzlinse soll durch einen gewissen Auszug schon ein bestimmter Vergrößerungsfaktor ß1 an der Kamera eingestellt sein. Ausgehend von (4.2) gilt dann unter Verwendung von (2.3):

.     (4.6)

Am Auszug selbst werde keine Veränderung vorgenommen, also ist:

.     (4.7)

Mit (4.7) kann in (4.6) a'G eliminiert und nach dem gesuchten neuen Vergrößerungsfaktor ßG aufgelöst werden:

.     (4.8)

Für erhält man wieder das Ergebnis aus (4.5).

4.2 Auszugsverlängerung

Die zweite Möglichkeit, Makroaufnahmen herzustellen, besteht in der Vergrößerung des Abstandes zwischen Objektiv und Film. Technisch erfolgt dies durch Einfügen von Zwischenringen oder einem Balgen. Wir definieren dazu den Auszug z als Verlängerung gegenüber der Unendlicheinstellung:

.     (4.9)

Wegen (2.3) gilt auch:

.     (4.10)

Der Auszug steigt also linear zur Brennweite und zum Vergrößerungsmaßstab. An Balgengeräten befinden sich häufig Millimeter-Skalen, an denen man den Auszug direkt ablesen kann und die sich deshalb auch zur Bestimmung des Vergrößerungsfaktors eignen.

Schließlich wollen wir noch den Fall einer Auszugsverlängerung von z1 auf z2 behandeln. Es sei:

.     (4.11)

Zweimal Gleichung (2.3) eingesetzt und nach aufgelöst ergibt:

.     (4.12)

also wieder eine lineare Zunahme des Vergrößerungsfaktors mit der Auszugsverlängerung.

Natürlich lassen sich beide Gleichungen (4.8) und (4.12) auch kombinieren und damit erhält man die allgemeinste Beziehung zur Berechnung des Vergrößerungsfaktors bei gleichzeitiger Auszugsverlängerung und Verwendung von Vorsatzlinsen:

.     (4.13)


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